LAFO 2024
10 | Deutscher Verband für Fotografie e.V. - DVF Bayern Liebe Fotofreundinnen und -freunde im DVF Bayern! Kunst kann heute offenbar überall sein – in einem Graffito im Miniaturformat inmitten einer Londoner U- Bahn-Station, auf der Social-Media-Plattform Instagram oder in Form einer drei Millionen Euro teuren Radie- rung von Egon Schiele in einer modernen Galerie. Kunst ist überall - doch vielleicht ist sie gerade deshalb auch nirgends mehr wirklich wahrnehmbar oder gar wirkmächtig? Was ist heute Kunst und was nicht? In der sarkastischen Frage„Ist das Kunst oder kann das weg?“ schwingt möglicherweise einerseits die ge- spielte Sorge mit, man könne aus Versehen etwas sehr Wertvolles wegwerfen, weil es sich nicht mehr auf den ersten Blick von Abfall unterscheiden lässt. Andererseits klingt darin auch eine gewisse Aggression an, wenn so vorgegeben wird, Kunst nicht mehr als solche erkennen zu können und sie auf diese Weise zu Abfall abzu- werten. Es ist aber wohl vielmehr so, dass in der Frage„Ist das Kunst oder kann das weg?“ eine gesellschaftliche Grund- haltung zur zeitgenössischen Kunst zum Ausdruck kommt. Der alte Wunschtraum, aus„Scheiße“ Gold machen zu können, hat sich allem Anschein nach auf dem heutigen Kunstmarkt erfüllt. Spätestens hier kommt einem hier das zugegeben etwas zotige Bonmot von Bertolt Brecht in den Sinn: „Kunst ist nicht, wenn man in die Stube scheißt. Kunst ist, wenn man unter Beifall in die Stube scheißt.“ Jedenfalls geht der Spruch„Ist das Kunst oder kann das weg?“ immer auf Kosten der Kunst selbst, denn er bringt zum Ausdruck, dass Kunst gar nicht mehr als etwas begriffen wird, das einen persönlich betreffen könnte. Dabei ist es im Grunde doch so, dass wir sehr wohl meinen, bemessen zu können, worin der wahre Wert von Kunst liegt: Kunst soll vor allem als symbolischer und weniger als ökonomischer Wert wahrgenommen wer- den. Eine Sichtweise, der sich viele von uns wahrscheinlich anschließen würden. Dennoch ist gute Kunst für einige nach wie vor„reine Geschmackssache“ und ist deshalb schlicht das, was ge- fällt. Für andere ist gute Kunst ausschließlich das, was in Museen ausgestellt wird oder bei einem Verkauf viel Geld erbringt. Zu guter Letzt sind nicht wenige der Ansicht, Qualität in der Kunst lasse sich überhaupt nicht definieren oder messen. Wahre Kunst kenne keine Regeln. Und doch gibt es Indizien. Die große Schnittmenge an Künstlernamen in den internationalen Museen kann kein Zufall sein. Die bisweilen seltsame Einigkeit von Experten in Jurys, Galerien und Auktionen weltweit kann nicht abgesprochen sein. Und dennoch: immer dieselben Namen, oftmals dieselben Werke. Allein am Geldwert der Kunst kann es aber auch nicht liegen. Kunst ist nämlich viel mehr wert als Gold oder Geld und gleichzeitig auch nur das wert, was wir bereit sind, ihr an Aufmerksamkeit zu schenken. Oder, um es mit den Worten des französischen Impressionisten Claude Monet zu sagen: „Jeder spricht über meine Kunst und gibt vor, sie zu verstehen, als müsste man sie verstehen. Die einzige nötige Sache ist, sie zu lieben.“ Müssen wir Kunst unbedingt verstehen? Oder müssen wir sie ganz einfach„nur“ lieben? Gibt es gar belastbare und allzeit gültige Kriterien für gute Kunst? So zentral diese Fragen auch sind, so unbeantwortbar erscheinen sie mitunter. 1. Landesvorsitzender DVF Bayern Alexander Gohlke Ist das Kunst ... ?
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